Fotos: Wolfgang Kahlke / Alfred Czogalla (Download mit Linksklick)
|
Kerpen Lourdes - Tag 5 Fontenay-Tresigny - Orleans 4. Juni 2019
In unserem motelmäßigen Zweibettzimmer hatten wir ganz gut geschlafen. Der erste Blick am Morgen galt routinemäßig der Wettervorhersage. Es sah draußen bedeckt aus und das Regenradar kündigte eine durchziehende Regenwolke an. Man konnte es drehen wie man wollte, ein Fahrtbeginn im Regen schien sich nicht vermeiden zu lassen. Wir bereiteten uns mit dem Wasserkocher so etwas wie einen Kaffee, frühstückten eine Kleinigkeit und bereiteten uns in unserer Fahrerbesprechung auf den fünften Radtag vor. Zum fünften Mal in Folge stand eine höhere Kilometerleistung als am Vortag auf dem Programm. Nach 91, 110, 115 und 128 sollten es heute 135 km werden, allerdings mit deutlich reduzierten Höhenmetern. Als Ausgleich zeigte die Prognose starken Gegenwind für den Nachmittag. Wir trösteten uns mit der Vorstellung, dass die Wettervorhersage ja nicht immer stimmt. Als wir kurz nach 8 Uhr vom Hotelparkplatz rollten, hatte es gerade begonnen zu tröpfeln. Noch in Fontenay zogen wir uns richtig regendicht an und bogen auf eine größere Department-Straße ein, die uns in südwestlicher Richtung an Paris vorbei führte. Erfreulicherweise wurden wir an diesem Morgen durch Rückenwind unterstützt und rollten recht zügig im morgendlichen Berufsverkehr über die gerade, glatte und minimal abschüssige Straße. Der Regen ließ zum Glück schon in der ersten Stunde deutlich nach und es wurde auch merklich wärmer. Nach 28 Kilometer erreichten wir die alte Stadt Melun an der Seine. Auf der steinernen Seine-Brücke (Pont Jeanne D'Arc) stoppten wir kurz um Fotos zu schießen (s. links oben) und die Regenjacken weg zu packen. Die Straßen waren noch nass, aber die Sonne hatte sich mittlerweile gegen die Wolken durchgesetzt. Es fiel uns keine einladende Bar auf, für den zweiten Kaffee und so beschlossen wir noch etwas weiter durch das Department Ile de France zu fahren.
Es war morgens 9:30 und wir konnten ja nicht ahnen, dass bis Orleans keine weitere Einkehrmöglichkeit kommen sollte. Nach der Kreuzung des Seine-Tals folgte ein kleines Plateau mit landwirtschaftlicher Nutzung. Kurz vor dem nächsten Flusstal schauten wir uns beim Durchqueren des kleinen Ortes Courances genau um. Wir fanden immerhin einen sehr ruhigen, begrünten Dorfplatz mit Bänken, den wir für ein sonniges Picknick nutzten. Es wurde immer sonniger und wärmer als wir uns wieder auf die Rennräder warfen. Kurz darauf erreichten wir den tiefsten Punkt des Tages bei der Überquerung des Flusses L'Ecole. Mit etwas auf und ab erreichten wir nach 60 Kilometern die finale Hochebene des Tages. Hier konnten wir sehr, sehr weit sehen und wir sahen nur Felder, keinen Baum und Windräder am Horizont, die sich gegen den Uhrzeigersinn drehten. Der erfahrene Radfahrer kennt die Bedeutung: Gegenwind. Die Wettervorhersage hatte leider mit der Prognose recht, dass der Wind im Laufe des Tages von Nordost auf Südwest drehen sollte. Es handelte sich nicht um eine Brise, sondern um sehr kräftigen Gegenwind. Wälder oder Hecken waren nicht in Sicht, nur endlose Weite. Psychologisch stand uns der schwierigste Teil der Tour bevor. Wir lösten uns im Wind ab so gut es ging und versuchten einen Rhythmus zu finden. Die ganze Gegend schien menschenleer zu sein, obwohl die riesigen Felder ordentlich bestellt waren. Wir kamen an einzelnen Weilern vorbei und ab uns zu durch sehr kleine Dörfer. Nach den ersten 1,5 Stunden fanden wir bei Tageskilometer 80 an dem Dorfteich von Ezerville (s. links Mitte) ein schattige Bank. Alfred war immer sehr erfolgreich als Wassersucher und fand einen älteren Herrn, der uns freundlicherweise die Flaschen wieder füllte.
Wir arbeiteten uns Kilometer um Kilometer voran. Nach 100 Tageskilometer bogen wir auf eine größere Department-Straße ein und empfingen den Wind wieder genau von vorne. Irgendwann tauchte am Horizont ein Waldgebiet auf, unsere letzte Hoffnung. Wir hatten bereits 120 Kilometer in den Knochen, als uns der schützende Wald endlich empfing und deutlichen Windschutz gab. Wir rollten wieder etwas lockerer und kurz darauf ging es hinab nach Orleans. Unsere Route führte mitten hinein ins Zentrum. Wir überquerten den sehr schönen Platz vor der Kathedrale, als der Alfred kurzentschlossen die erste Eisdiele des Tages ansteuerte. In der Hitze des Nachmittags gönnten wir uns eine eiskalte Cola und sehr leckeres Eis. Sofort fiel die extreme Belastung des Tages von uns ab und wir nutzen die Gelegenheit zu einer Besichtigung der imposanten Kathedrale mit dem sehr stilvoll gestalteten Umfeld. Auf den letzten drei Kilometern zum Hotel erwischte uns paradoxerweise noch ein Schauer. Wir fühlten uns trotzdem noch ausgedörrt und waren nicht in der Stimmung für längere Spaziergänge. Das nächste Lokal war ein sehr moderner und sauberer McDonalds auf der anderen Straßenseite der Schnellstraße. Der Hunger war gestillt, aber nicht der Durst. Nach entsprechenden Einkäufen in einem Auchan Supermarkt legten wir bald im Hotelzimmer die Beine hoch und stimmten uns auf den nächsten Tag ein.
Karte mit Streckenverlauf
Grafik mit dem Höhenprofil
Grafik mit dem Geschwindigkeitsprofil
Tag 0 (Übersicht)
Tag 1 (Kerpen - Stavelot)
Tag 2 (Stavelot - Bouillon)
Tag 3 (Bouillon - Reims)
Tag 4 (Reims - Fontenay)
Tag 5 (Fontenay - Orleans)
Tag 6 (Orleans - Tours)
Tag 7 (Tours - Poitiers)
Tag 8 (Poitiers - Anglouleme)
Tag 9 (Anglouleme - Bordeaux)
Tag 10 (Bordeaux - Mont de Marsan)
Tag 11 (Mont de Marsan - Lourdes)
Tag 12 (Lourdes - Tourmalet)
© WK
|