Wolfgang Kahlkes Reiseberichte





Fotos: Wolfgang Kahlke / Alfred Czogalla (Download mit Linksklick)

Kerpen Lourdes - Tag 8 Poitiers - Anglouleme 7. Juni 2019

Wir hatten uns wie jeden Tag über das Wetter infomiert und gingen mit großem Respekt in diesen Tag. Es war zwar kein Dauerregen, wie zwei Tage zuvor angesagt, statt dessen wurde uns sehr starker Wind aus dem Süden mit kräftigen Schauern prognostiziert. Da unsere Strecke ziemlich exakt in Richtung Süden ging, konnten wir uns auf starken Gegenwind gefasst machen. Zudem sollte der Wind im Laufe des Tages immer weiter zunehmen. Wir stellten uns also auf harte 122 km mit über 1500 Höhenmetern ein. Da wir auf den ersten Tagen aber schon so einige Wetterextreme überstanden hatten, machten wir uns trotzdem zuversichtlich auf den Weg. Unsere Räder hatten die Nacht in einem Lagerraum des Ibis Hotels überstanden. Nur wenige Meter weiter wurden wir im Bistro des Bahnhofs sehr schnell und freundlich mit Kaffee und unseren Croissants versorgt. Mit einem mitleidigen Blick verabschiedete uns der Kellner auf dem Weg zu unseren Rädern, die wir im strömenden Regen bestiegen. Nach einem kurzen Anstieg verließen wir schon die alte Stadt um kurze Zeit wieder im Tal des Flusses Clain zu landen. Der erste kleine Ort, durch wir immer noch im kalten Regen fuhren, hieß Liguge (s. links). Wir kauften hier in einem kleinen Laden am Markt noch etwas Obst für den Tag. Der Regen ließ dann bald nach und auf sehr kleinen Straßen bewegten wir uns an einem Hang des Flusstals. Es ging und ständig auf und ab, bis wir nach den ersten 22 Kilometern den Fluss Clain endgültig überquerten und zu einer ländlichen Hochebene aufstiegen.

Der Wind wurde immer stärker und bewegte sich langsam aber sicher in den Bereich Sturm. Die Wolken zogen sehr schnell über den Himmel und es wurde glücklicherweise merklich wärmer. Von 11 Grad am Morgen stiegen die Temperaturen im Lauf des Tages auf über 20 Grad. Etwa drei Viertel des Tages fuhren wir im Trockenen, aber immer wieder zogen starke Schauer durch. Wenn wir in deren Einflussbereich kamen wurde es extrem windig. Bei Seitenwind gaben wir uns erfolgreich alle Mühe auf den Rädern zu bleiben, bei direktem Gegenwind mussten wir uns jeden Meter erarbeiten. Zum Glück fuhren wir eigentlich den ganzen Tag durch ein sehr abwechslungsreiches Landschaftsbild. Wälder gaben immer wieder mal Windschutz, bergauf war der Wind meist nicht so stark spürbar, da er mit unheimlicher Geschwindigkeit über den höchsten Punkt fegte und kaum ins Tal fallen konnte. Bergab konnten wir allerdings auch nicht richtig Tempo aufnehmen, da der Wind uns sehr stark bremste. Wir wechselten uns natürlich so gut es ging ab und arbeiteten uns voran. Nach 47 Kilometern schwenkten wir zur Abwechslung auf eine typische Route Nationale ein und durften die nächsten 10 Kilometer schnurgerade gegen den Wind anfahren, psychologisch nicht gerade einfach. Irgendwann hatten wir dieses Stück Straße geschafft und rollten in den Windschutz der kleinen Stadt Civray. Wir waren uns schnell einig, das es jetzt höchste Zeit für eine Kaffeepause wäre. Ein kleiner Abstecher auf den Marktplatz führte uns direkt zum Café de la Paix. Wir genossen die Erholung, die gemütliche Inneneinrichtung und einen Cafe au Lait, während draußen unsere Räder vom Unwetter umgeblasen wurden. Es war schon nach Mittag und mehr als die Hälfte unserer Tagesetappe lag noch vor uns, also machten wir uns wieder auf den Weg, zur Abwechslung mal im Sonnenschein. Der permanente Gegenwind drückte auf das Tempo und es sollte final unser längster Tag auf den schmalen Rädern sein.

Wir verließen die große Route Nationale und die nächsten 35 km sollte es wieder sehr ländlich werden. Wir fuhren relativ lange an diesem Tag ohne Picknickpause, da ein passender Ort und passables Wetter erforderlich waren. Gegen 14 Uhr, nach einem der vielen kleinen Anstiege stoppten wir im sehr kleinen Dörfchen Chez Trignac und stärkten uns in der Dorfmitte (s. links). Nach 94 Tageskilometern überquerten wir den Fluss Charente und bewegten uns weiter in der Region Neu-Aquitanien. Die Pause und Stärkung hatte uns gut getan und wir kamen wieder besser voran. Es war absehbar, dass wir unser Tagesziel zu einer zivilisierten Zeit erreichen würden und wir entwickelten zunehmend Biss. Nach 104 Kilometern legten wir noch einen Boxenstopp auf einer steinernen Bank, vor einer ehemaligen Klosterkirche ein, in der kleinen Gemeinde Saint-Amant-de-Boixe. Wir genossen etwas Obst und Baguette in der wärmenden Sonne und bewunderten die ehemalige Klosterkirche und die pittoresken Ruinen des Klosters. Der Wind hatte auch etwas abgeflaut und wir rollten wieder deutlich zügiger über die restlichen Kilometer des Tages. Der letzte Ort vor unserem Ziel hieß Balzac, so wie der französische Autor Honore de Balzac, dessen Roman "VERLORENE ILLUSIONEN" in Anglouleme spielt. Hier erwartete uns in der Unterstadt eine sehr interessante Unterkunft. Das Appartement-Hotel war in einem komplett renovierten alten Gebäude integriert. Wir waren nach der sehr intensiven Rad-Erfahrung des Tages geschafft, der erste Reflex war, das Hotel an diesem Tag nicht mehr zu verlassen. Nach dem Duschen entschieden wir uns aber doch noch für den Aufstieg in die Oberstadt und wurden nicht enttäuscht. Eine sehr schöne und belebte Altstadt empfing uns. Wir schauten auf viele Speisekarten und entschieden uns für das indisch-pakistanische Restaurant Jardin de Kashmir. Mit Nan und Chicken Tikka Marsala stärkten wir uns nach diesem extrem harten Tag und entspannten in der gepflegten Atmosphäre(s. links). Auf dem Rückweg regnete es noch mal kurz, aber das konnte unsere gute Stimmung nun nicht mehr trüben.

Karte mit Streckenverlauf
Grafik mit dem Höhenprofil
Grafik mit dem Geschwindigkeitsprofil

Tag 0 (Übersicht)
Tag 1 (Kerpen - Stavelot)
Tag 2 (Stavelot - Bouillon)
Tag 3 (Bouillon - Reims)
Tag 4 (Reims - Fontenay)
Tag 5 (Fontenay - Orleans)
Tag 6 (Orleans - Tours)
Tag 7 (Tours - Poitiers)
Tag 8 (Poitiers - Anglouleme)
Tag 9 (Anglouleme - Bordeaux)
Tag 10 (Bordeaux - Mont de Marsan)
Tag 11 (Mont de Marsan - Lourdes)
Tag 12 (Lourdes - Tourmalet)


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